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Eine Öko-Religion?
(Jürgen Rieger)
Es ist noch gar nicht so lange her, daß in christlichen Zeitungen darauf hingewiesen wurde, daß der technische Fortschritt nur durch das Christentum ermöglicht worden sei: Es habe die Natur entzaubert, Pflanzen und Mineralien zu Sachen gemacht, und damit die Voraussetzung für die Technik geschaffen. Heute sind die Stimmen ver-
stummt. Angesichts der Umweltkrisen möchte man hieran auch nicht mehr erinnert werden. Statt dessen wird versucht, Jesus als ökologiebewußt darzustellen: Das Ur- Christentum sei eine ökologische Religion. Dies Bemühen ist beispielsweise fest-
zustellen in dem Buch von Hubertus Mynarek: Ökologische Religion ― ein neues Verständnis der Natur (1986). Der Verfasser war ursprünglich katholischer Priester und Religionsprofessor, bis er 1972 aus der katholischen Kirche austrat. Mit Christus hat er aber nicht gebrochen. Seine Feindesliebe, sein Gleichheitsprinzip, sein Kampf gegen den Reichtum sei eine gute Voraussetzung für eine ökologische Religion. Nun, daß Jesus keinerlei Interesse für Umweltschutz entwickelt hat, ist schon aus seinem Wort zu ersehen:
„Mein Reich ist nicht von dieser Welt“. Wozu dann um Baumster-
ben sich kümmern, wozu für reine Luft, entgiftete Böden, reines Wasser sich ein-
setzen? Ums Jenseits geht es ihm doch! Daß Jesus im übrigen durchaus ungebrochen in der Tradition des alten Testamentes mit seinem Satz
„Macht Euch die Erde untertan“ steht, ist aus einigen Stellen des neuen Testamentes zu entnehmen. So treibt er beispielsweise Dämonen aus und versetzt sie in eine Schweineherde, die
er anschliessend ins Meer treibt, wo sie ertrinkt (Lukas 8, 26–39; Markus 5, 1–20; Matthäus 8, 28–34). Frage: Sollte es einem Gott nicht möglich sein, Dämonen aus-
zutreiben, ohne dazu eine Schweineherde ertrinken zu lassen? Typisch auch die Verfluchung des Feigenbaumes. Jesus hatte Hunger, ging zu einem Feigenbaum in
der Hoffnung, dort Früchte zu finden, obwohl ― wie es ausdrücklich heißt ― es nicht die Zeit war, wo Feigenbäume Früchte zu tragen pflegten. Als er dann keine Früchte fand, verfluchte er den Feigenbaum, er solle künftighin nie mehr Frucht tragen; dieser verdorrte daraufhin auch (Markus 11, 12–21; Matthäus 21, 18–22).

Franz von Assisi, Schutzpatron der Tierschutzvereine und seit einigen Jahren auch des Umweltschutzes, verfluchte ausweislich seiner Lebensgeschichte eine Sau, die
im Klostergarten untergebracht worden war und einem dort ebenfalls gehaltenen Lamme die Kehle durchgebissen hatte. Daraufhin sei das Tier verkümmert und ge-
storben. Augustus jammert darüber, daß die Menschen die Bergeshöhen betrachten und sich darüber selbst vergessen; sie sollen sich mithin nicht der Natur widmen, sondern ihrer Seele. Hieraus ist schon ersichtlich, daß das Christentum als Grundlage für eine Natur-Religion nicht dienen kann. Eine vergleichbar negative Auffassung zur belebten und unbelebten Natur haben Islam und Judentum. Zu erinnern wäre an den ›Sündenbock‹, der von den Juden mit Sünden beladen wird, und sodann in die Wüste gejagt wird, damit er dort verdurste, oder an das tierquälerische Schächten von Tieren. Bäume und Tiere sind lediglich Sachen bei diesen beiden Religionen. Auch
dem Buddhismus geht es im wesentlichen um die Erlösung von den Wiedergeburten und dem Eingehen ins Nichts, dem Nirwana. Eintreten für eine gesunde Umwelt
hätte dort keine religiöse Grundbedeutung. Im Hinduismus, den ebenfalls einige hier bei uns als vorbildlich sehen, werden manche Bäume und Tiere als heilig angesehen, andere nicht. Es gibt darin aber auch die Idee der Allgöttlichkeit. Daraus folgt, daß alles Gott ist, das Schlechte und Böse ebenso wie das Gute: nicht nur das saubere Wasser, die Luft und die Blumen sind Gott, sondern auch die Ölpest und das Wald-
sterben, mithin alles was geschieht ― selbst die schlimmsten Verbrechen an Mensch und Natur sind ›richtig‹, weil göttlich.

Vergleichbare Schwierigkeiten ergeben sich beim Pantheismus, der alles als gott-
durchseelt ansieht. Soweit Hubertus Mynarek erklärt:
„Ökologische Religion ist nur der Natur zugewandt und nichts anderem“, ist dies eine Einseitigkeit. Eine Religion muß sich ebenso mit den Menschen und ihren Beziehungen zueinander befassen, nicht nur mit dem Verhältnis des Menschen zur Natur. Besser ist schon die Forderung von Baldur Springmann, ›Religio‹ als Rückbindung an den Kosmos zu sehen, in Bezie-
hung zu allen anderen lebenden Wesen und Lebenserscheinungen. Wie Ökologie oder Naturbewußtsein mit bestehenden Religionen (Christentum, Anthroposophie, Islam, Buddhismus, Hinduismus u. a.) in Verbindung gebracht werden, und auch kritische Anmerkungen zu diesen Versuchen, ist dem von Holger Schleip herausgegebenen Sammelband:
Zurück zur Natur-Religion? (1986) zu entnehmen. Bei kritischer Durch-
arbeit zeigt sich, daß alle Versuche, aus fremden Religionen Lösungen für die Frage einer Bindung an die Natur zu finden, fehl gehen müssen, weil dort ganz andere Voraussetzungen vorliegen. Was in diesem Band fehlt, ist eine Ausarbeitung zum germanischen Heidentum, das eine Natur-Religion (aber nicht nur das) war. Unsere Vorfahren gingen ― so wie wir jetzt auch ― von natürlichen Grundtatsachen aus.
Sie waren überzeugt von der Bipolarität alles Lebens (Freude und Leid, Licht und Schatten, Tod und Leben u. a.). Sie sahen den Menschen in Abhängigkeit von der Natur und ihrem Kreislauf. Dieses Denken in Kreisläufen war wesentlich anders als das christliche Denken, das von einem Jahr O (der angeblichen Geburt Christi) grad-
linig bis zum jüngsten Gericht eine Entwicklungslinie ziehen will.  Der heidnische Mensch nahm sein Wesen als gegeben an; es ging ihm nicht darum, sich zu über-
winden, das ›irdische Jammertal‹ zu fliehen, den eigenen Leib zu geißeln oder was dergleichen seelische Verirrungen sonst noch sind. Aus letzterem folgte eine Pflege des Leibes (Reinlichkeit, Körperertüchtigung, Wettkämpfe), aus ersterem ein religiö-
ser Kult, von dem wir Reste noch heute im Brauchtum des Jahreslaufes finden. Daß einstmals die Sommersonnwendfeiern kultische Bedeutung hatten, ist daraus zu ersehen, daß heute diese Feuer als ›Johannisfeuer‹ von der Kirche umbenannt wor-
den sind. Ebenso gab es Feuer zur Wintersonnenwende sowie an den Vollmonden
nach den Tagundnachtgleichen im Frühjahr und Herbst, also zu Ostern und dem Herbstopferfest. Die germanische Religion stellte eine Verschmelzung der rein auf den Sonnenlauf ausgerichteten Religion der eingewanderten indogermanischen Schnurkeramiker einerseits, und der mutmaßlich mutterrechtlich und deswegen wohl stärker auf den Mond orientierten Religion der Großsteingrableute andererseits dar. Deswegen hatten die Germanen zwei der insgesamt vier Hauptfeste direkt an Som-
mer- bzw. Wintersonnenwende, zwei andere an den Vollmonden nach Tagundnacht-
gleiche. Wenn das überlieferte Brauchtum von Verfälschungen der letzten Jahrhun-
derte gereinigt wird, ferner wieder zu den alten Tagen mit dem alten Sinngehalt durchgeführt wird, macht dies unsere Einbindung in die Natur deutlich.

„Warum in die Ferne schweifen…“ Wenn bei dem sich nunmehr abzeichnenden religiösen Neubesinnen versucht wird, statt des Christentums andere Religionen des Ostens hier als vorbildlich einzuführen, so kann auch dies nur in die Irre weisen.
Wenn es in anderen Religionen manche Züge gibt, die wir gutheissen und uneinge-
schränkt bejahen können, so wird es doch immer ― ganz einfach weil sie von anders-
rassigen Menschen geschaffen wurden ― Abweichungen zu unseren Auffassungen geben, die nur mit Gewalt oder Verbiegungen mit unseren Gedanken in Einklang gebracht werden könnten. Deswegen wäre denjenigen, die nach Natur-Religion
oder ökologischer Religion suchen, gedient, wenn sie den Ratschlag eines Indianers beherzigen würden, der auf die Frage, was wir hier machen sollten, sagte:
„Nach
den eigenen Wurzeln suchen“.
Dies machen wir, und dementsprechend ist unsere Küre 6 des Artbekenntnisses gestaltet. Unsere Einbindung in Natur und Kosmos ist damit deutlich gemacht. Wie die anderen Küren zeigen, ist diese Einbindung in die Natur aber nur ein Teil unseres religiösen Selbstverständnisses. Eine Religions-gemeinschaft muß umfassend Antwort auf wichtige Lebensfragen geben. Wir sind deshalb davon überzeugt, daß die ›Artgemeinschaft‹ denjenigen nordischen Men-
schen, die sich religiös neu binden wollen, eine bessere Heimat sein kann als jede andere Religionsgemeinschaft.
                           
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